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Redebeitrag Stadtrat Roland Ulbrich in der Ratsversammlung am 18. Mai 2022

zum Antrag-Nr. VII-A-02592-NF-03 "Leipziger Zoo: Koloniale Vergangenheit aufarbeiten und rassistische Stereotype auch in der Gegenwart beenden", Antragsteller: Migrantenbeirat

Herr Oberbürgermeister, meine Damen und Herren,

wir leben in einer Zeit, in der sich jeder gemüßigt fühlt, sich zu
irgendetwas zu bekennen oder von etwas zu distanzieren.
Gerade deshalb sollten sich die Herrschaften von der linksgrün-
bunten Moralisten-Front des Migrantenbeirats mal darüber
einig werden, was sie nun eigentlich wollen. Da wird uns
ständig was von Weltoffenheit, Diversität, Vielfalt und Toleranz
erzählt – aber andererseits ist das Vorführen kultureller Sitten
und Gebräuche aus anderen Ländern dann rassistisch. Und das,
obwohl es doch in Ihren Augen gar keine Rassen gibt.
Ja, was denn nun?

Der Zoo solle seine koloniale Vergangenheit aufarbeiten,
erfährt der geneigte Leser im Antrag. Und dazu wird als
abschreckendes Beispiel die Völkerschau von 1912 bemüht –
ein Vorgang also, der 110 Jahre zurückliegt. Und damit einer
Zeit angehört, als die Gesellschaft weit weg war von
Fernreisen und Massentourismus. Als interessierte, weltoffene
Menschen anderen Völker und deren Kulturen schwerlich live
begegnen konnten. Und deshalb auf eine Präsentation in ihrer
Heimat angewiesen waren. Ob es besonders glücklich war,
fremden Kulturen in Zoos zu betrachten, mag dahin gestellt
sein. Aber es war vieles nicht besonders glücklich in der Zeit
vor dem 1. Weltkrieg, als Begriffe wie Menschenrechte noch
weitgehend unbekannt waren. Deshalb Bezüge zur heutigen
Zeit herzustellen, ist mehr als hysterisch.

Abgesehen davon ist es eine unglaubliche Dreistigkeit, aus
lauter gutmenschlerischem Profilierungswahn dem Zoo-Direktor
und seinen Mitarbeitern Rassismus und Kolonialismus zu
unterstellen, weil sie ihren Besuchern ein umfangreiches
kulturelles – in dem Fall exotisches – Programm bieten wollen.
Und weshalb sollte der Zoo die Aufarbeitung seiner kolonialen
Vergangenheit weiter intensivieren? Wie lange sollen Vorfälle,
die über 100 Jahre zurück liegen, noch aufgearbeitet werden?
Das bringt mich zu dem Begriff exotisch, der hier offenbar
skandalisiert werden soll. Exotik ist etwas, was wir nicht
kennen, was uns fremd ist, was sich von unserer Kultur
unterscheidet. Aber es ist auch interessant, faszinierend,
bisweilen geheimnisvoll. Für Bürger nördlich des WeißwurstÄquators
kann möglicherweise schon der Brauch des
bayerischen Schuhplattelns exotisch sein. Warum wohl reisen
Millionen Menschen aus aller Welt jährlich nach München zum
Oktoberfest – vielleicht weil sie eine Tradition erleben wollen,
die sie als exotisch empfinden. Und warum wohl wird dieses
bayerische Bierfest in allen Teilen der Welt kopiert? Ist das
dann auch eine kulturelle Aneignung? Oder ein Stereotyp? Oder
gilt dieses sogenannte „Kultursensibilität“ nur für Fremde?
Im übrigen möchte ich darauf hinweisen, dass die afrikanischen
Künstler für ihre Darbietung entlohnt werden. Mit dem Verbot
würde das entfallen. Das heißt, sie bringen diese Menschen um
ihren Verdienst – und das alles, damit Sie sich moralisch, weil
ach so antirassistisch, überlegen fühlen. Hier von
„neokolonialen Ausbeutungsverhältnissen“, zu sprechen, grenzt
schon an Verfolgungswahn.

Deshalb möchte ich zum Schluss noch die Frage aufwerfen:
Wer sind denn nun die wahren Rassisten? Diejenigen, die
andere Kulturen kennenlernen möchten und sich für deren
Musik, Tänze, Schwertkämpfe und andere Bräuche
interessieren? Oder diejenigen, die das verbieten wollen?

Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit!

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